Depressionen gehören zu den häufigsten und belastendsten Erkrankungen unserer Zeit. Immer mehr Menschen erleben im Laufe ihres Lebens mindestens eine depressive Episode – oft mit erheblichen Auswirkungen auf Alltag, Familie und Beruf. Trotz vielfältiger Behandlungsmöglichkeiten suchen viele Betroffene nach neuen Wegen, um ihre Lebensqualität zu verbessern. In diesem Zusammenhang rückt das Thema „Cannabis gegen Depression“ zunehmend in den Fokus: Kann medizinisches Cannabis eine Option bei Depressionen sein?
In diesem Ratgeber findest Du einen sachlichen Überblick – mit Fakten, aktuellen Studien und wertvollen Hinweisen aus der Praxis.
In diesem Ratgeber findest Du einen sachlichen Überblick – mit Fakten, aktuellen Studien und wertvollen Hinweisen aus der Praxis.
Cannabis gegen Depression – Eine mögliche Option bei psychischen Erkrankungen?
Was sind Depressionen?
Die medizinische und auch gesellschaftliche Sichtweise haben sich in den letzten Jahren stark verändert: Depression ist mehr als nur „schlecht drauf sein“. Es handelt sich um eine ernsthafte Erkrankung, die das gesamte Leben beeinflussen kann. Sie kann Deine Gedanken, Gefühle und sogar Dein Verhalten nachhaltig verändern. Es ist nicht einfach nur eine schlechte Phase, die schnell wieder vorbeigeht, sondern dauern oft Wochen oder Monate an.
Laut der aktuellen S3-Leitlinie, also der wichtigsten medizinischen Empfehlung für die Behandlung von Depressionen, werden Depressionen als psychische Störungen beschrieben, „die durch einen Zustand deutlich gedrückter Stimmung, Interesselosigkeit und Antriebsminderung über einen längeren Zeitraum gekennzeichnet sind1
Dabei betrifft eine Depression nicht nur die Stimmung, sondern kann sich auch auf den Körper auswirken – zum Beispiel durch Schlafprobleme oder Erschöpfung. Häufig leidet auch das Miteinander mit Familie, Freunden oder Kollegen, weil vieles schwerfällt, was früher selbstverständlich war.
Symptome und Auswirkungen von Depressionen
Depressionen zeigen sich bei jedem Menschen etwas anders. Dennoch gibt es typische Merkmale, an denen sich eine Depression erkennen lässt. Fachleute unterscheiden dabei zwischen sogenannten Hauptsymptomen und weiteren Zusatzsymptomen:1
Hauptsymptome:
• Gedrückte Stimmung (anhaltende Traurigkeit, Niedergeschlagenheit)
• Interessenverlust (Freude an Aktivitäten geht verloren)
• Antriebsmangel (alles fällt schwer, wenig Energie)
Zusatzsymptome:
• Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen
• Geringes Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen
• Schuldgefühle oder Gefühle von Wertlosigkeit
• Hoffnungslosigkeit, negative Zukunftsperspektiven
• Schlafstörungen (zu wenig oder zu viel Schlaf)
• Appetitstörungen (weniger oder mehr Appetit, Gewichtsveränderungen)
• Psychomotorische Unruhe (innere Getriebenheit, Zappeln) oder Hemmung (Verlangsamung, langsames Sprechen/Bewegen)
• Im schweren Verlauf: Gedanken an Tod oder Suizid
Ob tatsächlich eine Depression vorliegt, hängt davon ab, wie viele und welche dieser Symptome gleichzeitig auftreten. In der Regel müssen mindestens zwei der drei Hauptsymptome vorhanden sein, damit eine Depression diagnostiziert werden kann.
Zusätzlich treten häufig auch einige der genannten Nebensymptome auf. Welche Anzeichen genau bei Dir vorkommen und wie stark Du darunter leidest, ist von Person zu Person verschieden.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Ursachen für Depressionen sind meist komplex und lassen sich selten auf einen einzelnen Auslöser zurückführen. In vielen Fällen spielen mehrere biologische, psychische und soziale Faktoren zusammen und erhöhen gemeinsam das Risiko, an einer Depression zu erkranken:1
• Genetische Veranlagung
• Bestimmte körperliche Erkrankungen (z. B. Stoffwechselstörungen, Übergewicht, chronische Krankheiten)
• Hormonelle Veränderungen (z. B. in der Pubertät, während oder nach einer Schwangerschaft oder in den Wechseljahren)
• Soziodemografische Faktoren wie z. B. Geschlecht, Alter oder Armut
• Andere psychische Erkrankungen (etwa Angststörungen, Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen)
• Belastende Erfahrungen oder Traumata (wie Missbrauch, Vernachlässigung oder Gewalt)
• Einsamkeit, sozialer Rückzug oder der Verlust nahestehender Menschen
• Starke Belastungen im Alltag (z. B. durch Konflikte, Trennungen, berufliche Probleme oder die Diagnose einer schweren Krankheit)
• Chronischer Stress, Überforderung oder Burn-out
• Ungesunde Lebensgewohnheiten (etwa wenig Bewegung, Rauchen oder unausgewogene Ernährung)
Nicht immer lässt sich ein klarer Auslöser für eine Depression finden. Viele Betroffene fragen sich: Warum gerade ich? Umso wichtiger ist es, auch organische Ursachen und andere körperliche Erkrankungen ärztlich abklären zu lassen. So wird sichergestellt, dass keine anderen Auslöser für die depressiven Beschwerden übersehen werden. Trotzdem ist es wichtig zu wissen, dass Depressionen behandelbar sind.
Klassische Therapien und ihre Grenzen
Depressionen lassen sich auf verschiedene Weise behandeln – oft ist eine Kombination aus mehreren Ansätzen am wirksamsten. Welche Therapie am wirksamsten ist, hängt von der Schwere der Erkrankung, persönlichen Bedürfnissen und der individuellen Lebenssituation ab.
Zu den wichtigsten Therapieoptionen gehören:1
Psychotherapie
Gesprächstherapien wie die kognitive Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologisch fundierte Verfahren bilden eine zentrale Säule der Behandlung. Ziel ist es, Gedanken- und Verhaltensmuster zu erkennen, zu verändern und neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
Medikamentöse Therapie
Antidepressiva kommen vor allem bei mittelschweren und schweren Depressionen zum Einsatz. Sie wirken auf die Botenstoffe im Gehirn und können so die Stimmung stabilisieren.
Wissen und Selbsthilfe
Psychoedukation, Ratgeberliteratur oder digitale Programme vermitteln Wissen über die Erkrankung und fördern einen aktiven Umgang mit den eigenen Beschwerden.
Neurostimulationsverfahren
Hierzu zählen Methoden wie die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) oder die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS). Sie beeinflussen gezielt die Aktivität bestimmter Hirnareale und werden meist dann eingesetzt, wenn andere Therapien nicht ausreichend wirken.
Psychosoziale Unterstützung
Ergotherapie, Soziotherapie oder Hilfen bei sozialen und beruflichen Herausforderungen können die Behandlung im Alltag ergänzen und bei Depressionen helfen.
Unterstützende Maßnahmen
Bewegungstherapie, Sport, Lichttherapie oder gezielter Schlafentzug haben sich als hilfreiche Zusatzbausteine in der Behandlung von Depressionen erwiesen.
Trotz der nachgewiesenen Wirksamkeit klassischer Therapieverfahren gibt es auch Grenzen.
Nicht alle Patientinnen und Patienten sprechen ausreichend auf Psychotherapie oder unterstützende Maßnahmen an, und bei manchen bleiben die Beschwerden trotz intensiver Behandlung bestehen. Zusätzlich können Wartezeiten auf einen Therapieplatz, fehlende Motivation oder individuelle Lebensumstände den Zugang zur Therapie erschweren. In solchen Fällen wird nach weiteren oder ergänzenden Behandlungsmöglichkeiten gesucht, um die Versorgung und Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Medikamente bei Depressionen – Antidepressiva & Co.
Die Behandlung von Depressionen mit Antidepressiva ist gut wissenschaftlich untersucht und stellt eine zentrale Säule der Therapie dar – insbesondere bei mittelschweren und schweren Verlaufsformen. Antidepressiva wirken auf die Botenstoffe im Gehirn, die bei Depressionen häufig aus dem Gleichgewicht geraten sind. Es gibt verschiedene Wirkstoffgruppen, die sich in ihrer Wirkweise und ihren Nebenwirkungen unterscheiden.
Hier ein Überblick über die wichtigsten Medikamente:1
| Gruppe | Beispielwirkstoffe | Besonderheiten |
| Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) | z. B. Citalopram, Sertralin, Escitalopram | Häufig verschrieben, meist gut verträglich, Wirkung setzt nach etwa 2–4 Wochen ein |
| Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) | z. B. Venlafaxin, Duloxetin | Wirken auf zwei Botenstoffe, oft bei Schmerzen und Depressionen eingesetzt |
| Trizyklische Antidepressiva (TZA) | z. B. Amitryptilin, Doxepin | Ältere wirksame Präparate, aber mehr Nebenwirkungen |
| Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer) | z. B. Moclobemid, Tranylcypromin | Selten eingesetzt, spezielle Diät nötig, Wechselwirkungen beachten |
| Weitere Antidepressiva | z. B. Mirtazapin, Bupropion, Agomelatin | Unterschiedliche Wirkmechanismen, oft bei speziellen Problemen (z. B. Schlafstörungen) |
| Pflanzliche Präparate | Johanniskraut | Wirksamkeit bei leichten Depressionen belegt, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten möglich |
Antipsychotika wie Quetiapin werden bei Depressionen nur in speziellen Fällen eingesetzt, z. B. bei schweren Depressionen mit psychotischen Symptomen oder als Zusatz, wenn klassische Antidepressiva allein nicht wirken. Sie sind keine klassischen Antidepressiva, können aber in der Praxis ergänzend verschrieben werden.
Mögliche Nebenwirkungen von Antidepressiva

Antidepressiva können viel bewirken, bringen aber manchmal auch unerwünschte Begleiterscheinungen mit sich. Welche Nebenwirkungen auftreten können, hängt stark von der jeweiligen Medikamentengruppe ab – und natürlich auch davon, wie sensibel jeder Einzelne darauf reagiert.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die typischen Nebenwirkungen der wichtigsten Antidepressiva-Gruppen:2
| Gruppe | Typische Nebenwirkungen |
| SSRI | Übelkeit, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, innere Unruhe, sexuelle Funktionsstörungen (z. B. Libidoverlust), Appetitveränderungen |
| SNRI | Wie SSRI, zusätzlich Blutdruckanstieg, vermehrtes Schwitzen, Herzklopfen |
| Trizyklische Antidepressiva (TZA) | Mundtrockenheit, Verstopfung, Gewichtszunahme, Schläfrigkeit, Schwindel, Herzrhythmusstörungen |
| MAO-Hemmer | Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Schwindel, Mundtrockenheit, Blutdruckentgleisungen bei bestimmten Lebensmitteln |
| Weitere Antidepressiva | Unterschiedlich, z. B. vermehrter Appetit, Gewichtszunahme, Müdigkeit (Mirtazapin), Unruhe, Schlaflosigkeit (Bupropion) |
| Johanniskraut | Magen-Darm-Beschwerden, Lichtempfindlichkeit der Haut, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten |
Viele Nebenwirkungen treten vor allem zu Beginn der Behandlung oder bei Dosiserhöhung auf und lassen oft nach einiger Zeit wieder nach. Während manche Beschwerden wie Übelkeit oder leichte Schlafstörungen meist harmlos sind, können andere – etwa Herzrhythmusstörungen oder starke Blutdruckveränderungen – ernsthafte Risiken darstellen und sollten ärztlich kontrolliert werden.
Auch scheinbar „leichte“ Nebenwirkungen, zum Beispiel sexuelle Funktionsstörungen oder starke Müdigkeit, können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und sind ein häufiger Grund, warum Patientinnen und Patienten eine Therapie abbrechen. Es ist daher wichtig, alle Nebenwirkungen offen mit dem behandelnden Arzt zu besprechen. 3
Was ist medizinisches Cannabis?

Oft lassen sich durch eine Anpassung der Dosis oder einen Wechsel des Medikaments Lösungen finden.
Medizinisches Cannabis gegen Depression – Gutes Potenzial und zu viele Grenzen?
Trotz der vielfältigen Therapieoptionen gibt es Fälle, in denen klassische Ansätze an ihre Grenzen stoßen. Manche Menschen sprechen auf bewährte Methoden wie Psychotherapie oder unterstützende Maßnahmen nicht ausreichend an.
Doch auch Nebenwirkungen von Antidepressiva können für viele Betroffene so belastend sein, dass sie die Behandlung abbrechen oder nach neuen Wegen suchen.
Zusätzlich können Wartezeiten auf einen Therapieplatz oder persönliche Hürden, sich Hilfe zu suchen, die Versorgung erschweren. Deshalb wächst das Interesse an alternativen oder ergänzenden Behandlungswegen – insbesondere, wenn die Lebensqualität weiterhin stark eingeschränkt bleibt. Könnte Cannabis als Medizin hier eine sinnvolle Option bieten?

Wie kann Cannabis gegen Depression wirken?
Cannabis enthält viele Wirkstoffe, die sogenannten Cannabinoide. Die bekanntesten sind THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol):4
THC (Tetrahydrocannabinol)
THC ist der psychoaktive Bestandteil von Cannabis, der das bekannte „High“ auslöst. In der Medizin wird THC vor allem wegen seiner schmerzlindernden und muskelentspannenden Wirkung eingesetzt. Es kann außerdem den Appetit anregen und gegen Übelkeit helfen.
Allerdings sind mit THC auch unerwünschte psychische Effekte möglich, wie vorübergehende Verwirrtheit, Konzentrationsprobleme oder – bei entsprechender Veranlagung – Angstgefühle. Für die Behandlung von Depressionen ist die stimmungsaufhellende Wirkung von THC interessant.
CBD (Cannabidiol)
CBD hat im Gegensatz zu THC keine berauschende Wirkung. Zu den wichtigsten Effekten von CBD zählen Schmerzlinderung, angstlösende und entzündungshemmende Eigenschaften sowie eine krampflösende und muskelentspannende Wirkung. Besonders relevant für Menschen mit Depressionen sind die beruhigenden und angstlösenden Effekte von CBD, die ohne die typischen psychoaktiven Wirkungen von THC auftreten.
Endocannabinoid-System und seine Rolle bei Depressionen
Das Endocannabinoidsystem – kurz ECS – ist ein wichtiger Teil unseres Körpers, der dabei hilft, verschiedene Abläufe im Gleichgewicht zu halten. Es besteht aus speziellen Botenstoffen (Endocannabinoiden), deren passenden Rezeptoren (CB1 und CB2) und Enzymen, die diese Stoffe auf- und abbauen. Das ECS beeinflusst viele Prozesse, zum Beispiel Stimmung, Schlaf, Appetit, Schmerzen oder die Reaktion auf Stress. Es wirkt also wie eine Art „Regulationssystem“, das dafür sorgt, dass unser Körper auf innere und äußere Veränderungen angemessen reagieren kann.
Das ECS beeinflusst wichtige Prozesse, die bei Depressionen eine Rolle spielen – zum Beispiel die Stressverarbeitung, das Immunsystem und die Bildung neuer Nervenzellen. Veränderungen im ECS, etwa an den CB1- und CB2-Rezeptoren, können das Depressionsrisiko erhöhen. Da das ECS eng mit anderen Körpersystemen verknüpft ist, rückt es zunehmend als möglicher Ansatzpunkt für neue Therapien in den Fokus der Forschung.5
Tierstudien deuten darauf hin, dass das Endocannabinoidsystem eine wichtige Rolle bei Depressionen spielen könnte, da eine Aktivierung dieses Systems im Tierversuch antidepressive Effekte zeigt.6
Beim Menschen gibt es bislang nur erste Hinweise darauf, welche Rolle das Endocannabinoidsystem bei Depressionen spielen könnte; die genauen Zusammenhänge sind jedoch noch nicht ausreichend erforscht.
Aktuelle Forschung: Was sagen Studien über Cannabis gegen Depression?
Das wissenschaftliche Interesse an Cannabis als mögliche Therapieoption bei Depressionen nimmt zu. Immer mehr Forscher beschäftigen sich damit, ob und wie medizinisches Cannabis tatsächlich gegen depressive Symptome wirken kann. Doch wie aussagekräftig sind die bisherigen Studien – und was lässt sich daraus für die Praxis ableiten?
Eine 2020 veröffentlichte Übersichtsarbeit kommt zu dem Schluss: Für Depressionen gibt es bislang keine überzeugenden Hinweise auf einen Nutzen von medizinischem Cannabis; die Studienlage ist uneinheitlich und meist von geringer Qualität.7
Jedoch gibt es einzelne Studien, die zeigen, dass Cannabis bei Depressionen möglicherweise hilfreich sein könnte. Die Ergebnisse sind zwar noch nicht eindeutig, liefern aber spannende erste Hinweise, die Hoffnung machen – auch wenn man sie noch mit etwas Vorsicht betrachten sollte.
Eine britische Studie zeigte, dass Patienten mit Depression nach der Behandlung mit medizinischem Cannabis von Verbesserungen bei Stimmung, Angst, Schlaf und Lebensqualität berichteten. Da es sich um eine reine Beobachtungsstudie handelt, kann man nicht sicher sagen, ob die Verbesserungen wirklich am medizinischen Cannabis liegen oder welche Effekte THC oder CBD dabei haben.8
Eine größere kanadische Studie mit über 7.000 Patienten zeigte, dass medizinisches Cannabis bei vielen Betroffenen die Werte für Angst und Depression im Verlauf deutlich senkte. Besonders ausgeprägt war dieser Effekt bei Personen, die gezielt wegen dieser Beschwerden behandelt wurden. Die Verbesserungen hielten teilweise über mehrere Monate an, müssen aber noch durch weitere Forschung bestätigt werden.9
Eine neuere deutsche Studie mit 59 Patienten, die bereits andere Antidepressiva ausprobiert hatten, zeigte medizinisches Cannabis über 18 Wochen eine deutliche Besserung der depressiven Symptome. Etwa die Hälfte der Teilnehmenden berichtete von einer starken Verbesserung. Die Behandlung wurde meist gut vertragen und schwerwiegende Nebenwirkungen waren selten. Trotzdem warnen die Forschenden, dass noch mehr Studien nötig sind und man mögliche Risiken wie Abhängigkeit oder Konzentrationsprobleme nicht vergessen sollte.10
Cannabis und Depressionen – Risiken, Nebenwirkungen und Missbrauchspotenzial
So vielversprechend die Therapie mit medizinischem Cannabis für manche Betroffene klingen mag – es gibt auch Risiken und Besonderheiten, die gerade bei Depressionen beachtet werden sollten.
Risiken und Nebenwirkungen von Cannabis
Medizinisches Cannabis kann aber auch Nebenwirkungen haben, die gerade bei Depressionen eher problematisch sein können. Dazu gehören zum Beispiel:4
• Schwindel und Übelkeit
• Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme
• Angstzustände, Paranoia
• Kreislaufprobleme,
• Müdigkeit, Antriebslosigkeit

Cannabismissbrauch und psychische Gesundheit: Kann Cannabis Depressionen auslösen?
Der Zusammenhang zwischen Cannabis und Depression ist komplex. Einerseits gibt es Hinweise, dass Cannabis depressive Symptome lindern kann – andererseits zeigen Studien, dass regelmäßiger, hochdosierter Konsum das Risiko für Depressionen, Angststörungen und Psychosen erhöhen kann:
Eine große Übersichtsarbeit zeigt, dass Jugendliche, die regelmäßig Cannabis konsumieren, später ein erhöhtes Risiko haben, an Depressionen zu erkranken. Deshalb raten Fachleute Jugendlichen vom frühen Konsum ab, um dieses Risiko möglichst gering zu halten.11
Auch eine Übersichtsarbeit aus Australien zeigt, dass Menschen, die regelmäßig oder in größeren Mengen Cannabis konsumieren, ein etwas höheres Risiko für depressive Symptome haben. Wer nur selten Cannabis nutzt, scheint dieses Risiko nicht zu haben. Die Forschenden weisen aber darauf hin, dass auch andere Faktoren wie das persönliche Umfeld eine Rolle spielen können und nicht eindeutig bewiesen ist, dass Cannabis allein die Ursache für Depressionen ist.12
Eine große Übersichtsarbeit mit Daten aus über 76.000 Personen zeigt, dass Cannabiskonsum – vor allem starker oder regelmäßiger Konsum – mit einem erhöhten Risiko verbunden ist, im Laufe der Zeit eine Depression zu entwickeln. Die Forschenden betonen jedoch, dass weitere Langzeitstudien nötig sind, um andere Einflussfaktoren besser zu verstehen und den Zusammenhang genauer zu klären.13
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Medizinisches Cannabis kann die Wirkung vieler anderer Medikamente beeinflussen, darunter auch Antidepressiva, Beruhigungsmittel oder Schmerzmittel. Insbesondere bei Arzneimitteln, die auf das zentrale Nervensystem wirken, können unerwartete Effekte auftreten:
Eine US-amerikanische Studie zeigt, dass Cannabis-Wirkstoffe wie THC und CBD die Konzentration bestimmter Antidepressiva (z. B. Sertralin, Citalopram) im Blut erhöhen können. Dadurch kann das Risiko für Nebenwirkungen dieser Medikamente steigen oder sich die Wirkung verändern.14
Eine internationale Übersichtsarbeit hat gezeigt, dass medizinisches Cannabis mit vielen verschiedenen Medikamenten in Wechselwirkung treten kann – darunter insbesondere mit Antiepileptika, Benzodiazepinen und Blutverdünnern wie Warfarin. Besonders der Cannabis-Wirkstoff CBD kann die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen, was manchmal Dosisanpassungen oder eine engmaschige Kontrolle der Blutwerte notwendig macht.15
Cannabis kann also mit vielen verschiedenen Medikamenten wechselwirken – nicht nur mit Mitteln gegen Depressionen, sondern auch mit alltäglichen wie Blutverdünnern oder Epilepsiemedikamenten.
Wie läuft eine Therapie mit medizinischem Cannabis bei Depressionen ab?
Schritt 1: Klare Diagnose durch einen Facharzt
Bevor überhaupt an eine Behandlung mit medizinischem Cannabis gedacht wird, sollte immer zuerst eine gesicherte Diagnose durch einen erfahrenen Facharzt gestellt werden.
Schritt 2: Ausschöpfen bewährter Therapien
Im nächsten Schritt werden die üblichen und gut untersuchten Therapien angewendet – dazu gehören vor allem Psychotherapie und herkömmliche Antidepressiva. Diese gelten als sicher und wirksam.
Schritt 3: Gemeinsame Entscheidung für einen Cannabis-Therapieversuch
Erst wenn klassische Behandlungen nicht ausreichend helfen oder nicht vertragen werden, kann gemeinsam mit dem behandelnden Arzt überlegt werden, ob ein zusätzlicher Therapieversuch mit medizinischem Cannabis sinnvoll ist.
Schritt 4: Verschreibung durch einen erfahrenen Arzt
Die Verschreibung sollte möglichst durch einen Arzt erfolgen, der Erfahrung mit Cannabistherapie hat und die Behandlung auch langfristig begleitet.
Schritt 5: Individuelle Anpassung und Kontrolle
Die passende Sorte, Dosierung und Einnahmeform (zum Beispiel Blüten oder Extrakte) werden individuell festgelegt und verschrieben. Während der Behandlung wird regelmäßig überprüft, wie gut das Cannabis wirkt und ob Nebenwirkungen auftreten – damit die Therapie bei Bedarf angepasst werden kann.
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Mit Cannabis Depressionen lindern – Chancen, Risiken und offene Fragen
Medizinisches Cannabis bei Depressionen bleibt ein spannendes, aber auch komplexes Thema. Die Forschung am körpereigenen Endocannabinoidsystem zeigt, dass es tatsächlich Zusammenhänge zwischen diesem System und unserer Stimmung gibt – das ist ein Grund, warum Cannabis als Therapieansatz überhaupt diskutiert wird.
Erste Studien und Erfahrungen deuten darauf hin, dass Cannabis für einige Betroffene eine zusätzliche Option sein kann, besonders wenn andere Therapien nicht ausreichen oder zu starke Nebenwirkungen haben.
Gleichzeitig ist klar: Die bisherigen Erkenntnisse sind noch begrenzt, die Wirkung sehr individuell und nicht jeder profitiert von einer Cannabistherapie. Cannabis ersetzt keine bewährten Behandlungen wie Psychotherapie oder Antidepressiva, kann aber in ausgewählten Fällen die Lebensqualität verbessern – vorausgesetzt, die Therapie erfolgt gemeinsam mit erfahrenen Ärzten und nach sorgfältiger Abwägung aller Risiken und Wechselwirkungen.
Wenn du dich für diesen Weg interessierst, sprich offen mit deinem Arzt und wägt gemeinsam alle Möglichkeiten und Grenzen ab.
Diese Informationen dienen lediglich der allgemeinen Aufklärung und ersetzen keine rechtliche Beratung. Es handelt sich nicht um eine verbindliche juristische Einschätzung, und der Text wurde nicht von einem Anwalt erstellt. Bei konkreten rechtlichen Fragen oder Unsicherheiten solltest du dich an einen Rechtsanwalt oder eine andere juristische Fachkraft wenden.
2 Hiller, G., & Voderholzer, U. (2012). Nebenwirkungen von Antidepressiva. Psychiatrie und Psychotherapie up2date, 6(03), 149-164.
3 Simm, M. : Antidepressiva: Nebenwirkungsprofil individuell beachten. Deutsches Ärzteblatt, Ausgabe 9/2009. Online verfügbar unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/antidepressiva-nebenwirkungsprofil-individuell-beachten-49e6cdcc-167a-44a0-8eb9-5db81ed5446d (abgerufen am 18.08.2025).
4 Gelbe Liste Pharmindex. Cannabis – Wirkstoffdossier (abgerufen am 19. August 2025). https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Cannabis_53341/
5 Gallego-Landin, I., García-Baos, A., & García-Gutiérrez, M. S. (2021). Reviewing the role of the endocannabinoid system in the pathophysiology of depression. Frontiers in pharmacology, 12, 762738. https://doi.org/10.3389/fphar.2021.762738
6 Bright, U., & Akirav, I. (2022). Modulation of Endocannabinoid System Components in Depression: Pre-Clinical and Clinical Evidence. International Journal of Molecular Sciences, 23(10), 5526. https://doi.org/10.3390/ijms23105526
7 Sarris, J., Sinclair, J., Karamacoska, D., Davidson, M., Firth, J., & Schubert, V. (2020) Medicinal cannabis for psychiatric disorders: a clinically-focused systematic review. BMC Psychiatry 20, 24 https://doi.org/10.1186/s12888-019-2409-8
8Mangoo, S., Erridge, S., Holvey, C., Coomber, R., Riano Barros, D. A., & Bhoskar, U. (2023). Assessment of clinical outcomes of medicinal cannabis therapy for depression: Analysis from the UK Medical Cannabis Registry. Expert Review of Neurotherapeutics, 23(12), 995–1008. https://doi.org/10.1080/14737175.2022.2161894
9Sachedina, F., Chan, C., Damji, R. S., & de Sanctis, O. J. (2022). Medical cannabis use in Canada and its impact on anxiety and depression: A retrospective study. Psychiatry Research, 313, 114573. https://doi.org/10.1016/j.psychres.2022.114573
10 Specka, M., Bonnet, U., Schmidberg, L., Wichmann, J., Keller, M., Scholze, C., & Scherbaum, N. (2024). Effectiveness of medical cannabis for the treatment of depression: A naturalistic outpatient study. Pharmacopsychiatry, 57(2), 61–68. . https://doi.org/10.1055/a-2215-6114
11 . Gobbi G, Atkin T, Zytynski T, et al. Association of Cannabis Use in Adolescence and Risk of Depression, Anxiety, and Suicidality in Young Adulthood: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Psychiatry. 2019;76(4):426–434. https://doi.org/10.1001/jamapsychiatry.2018.4500
12 Degenhardt, L., Hall, W., & Lynskey, M. (2003). Exploring the association between cannabis use and depression. Addiction, 98(11), 1493–1504. https://doi.org/10.1046/j.1360-0443.2003.00437.x
13 Lev-Ran, S., Roerecke, M., Le Foll, B., George, T. P., McKenzie, K., & Rehm, J. (2014). The association between cannabis use and depression: A systematic review and meta-analysis of longitudinal studies. Psychological Medicine, 44(4), 797–810. https://doi.org/10.1017/S0033291713001438
14 Vaughn, S. E., Strawn, J. R., Poweleit, E. A., Sarangdhar, M., & Ramsey, L. B. (2021). The Impact of Marijuana on Antidepressant Treatment in Adolescents: Clinical and Pharmacologic Considerations. Journal of Personalized Medicine, 11(7), 615. https://doi.org/10.3390/jpm11070615
15 Ho, J. J. Y., Goh, C., Leong, C. S. A., Ng, K. Y., & Bakhtiar, A. (2024). Evaluation of potential drug–drug interactions with medical cannabis. Clinical and Translational Science, 17(5), e13812. https://doi.org/10.1111/cts.13812




