Was ist medizinisches Cannabis? Anwendung, Wirkung und Gesetze in Deutschland
Medizinisches Cannabis hat sich seit der Teillegalisierung 2024 in Deutschland von einem früher kontrovers diskutierten Thema zu einer zunehmend akzeptierten Option in der Komplementärmedizin entwickelt.
Diese Entwicklung zeigt sein Potenzial als ergänzender Ansatz zur Behandlung diverser Beschwerden. Trotz dieser Fortschritte herrscht jedoch noch viel Unwissenheit über die Anwendungen, Wirkungen und die geltenden Gesetze. In diesem Ratgeber erhältst du alle wichtigen Informationen rund um medizinisches Cannabis, um ein besseres Verständnis dieser Therapieform zu bekommen.
Was ist medizinisches Cannabis?
Medizinisches Cannabis umfasst speziell zugelassene Cannabisprodukte wie getrocknete Blüten und Extrakte, die strengen Qualitätsstandards unterliegen. Diese Cannabisarzneimittel können von Ärzten auf Rezept verschrieben und anschließend von Patienten in Apotheken bezogen werden.1
Machen wir weiter mit den Basics, also was genau die Wirkung bei medizinischen Cannabisblüten entfaltet: Die Hauptinhaltsstoffe THC und CBD.
THC (Tetrahydrocannabinol)
THC ist der psychoaktive Bestandteil von Cannabis, der für das „High“ verantwortlich ist. In der Medizin wird THC genutzt, da es eine nachgewiesene Wirkung zur Schmerzlinderung und Muskelentspannung hat. Zusätzlich wirkt THC appetitanregend und hilft gegen Übelkeit. Allerdings können die positiven Wirkungen von THC auch von unerwünschten psychischen Effekten begleitet werden, wie beispielsweise vorübergehende Verwirrtheit oder Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren.2
CBD (Cannabidiol)
CBD ist ein weiteres wichtiges Cannabinoid, was jedoch keine psychoaktive Wirkung besitzt.
Zu den wichtigsten Effekten von CBD gehören:2
• Schmerzlinderung (z. B. bei chronischen Schmerzen)
• Angstlösung
• Entzündungshemmung
• Krampflösung (z. B. bei Epilepsie)
• Muskelentspannung
Endocannabinoid-System
Der menschliche Körper verfügt über ein eigenes System, das speziell auf Wirkstoffe aus Cannabis reagiert: das sogenannte Endocannabinoid-System (ECS). Dieses System hat spezielle Rezeptoren, die Cannabinoide wie THC und CBD aufnehmen und so Effekte wie Schmerzlinderung oder Entspannung auslösen. Dank dieser Rezeptoren kann der Körper die Inhaltsstoffe von Cannabis gezielt nutzen, was es für viele medizinische Anwendungen interessant macht. 3
Welche Cannabissorten gibt es? (Indica vs. Sativa)
Die Begriffe Sativa und Indica beziehen sich auf zwei verschiedene Sorten der Cannabispflanze, die sich in ihrem Erscheinungsbild und ihren potenziellen Wirkungen unterscheiden sollen: 4
Cannabis Sativa hat einen hohen, schlaksigen Wuchs mit langen, schmalen, hellgrünen Blättern und luftigen Blüten. Diese Sorte soll ein eher „kopflastiges High“ verursachen, das anregend, aktivierend und motivierend wirkt. Viele Nutzer berichten, dass sie dadurch auch ihren Appetit anregen können.
Im Gegensatz dazu hat Cannabis Indica (indischer Hanf) einen kleineren, kompakteren Wuchs mit breiteren, dunkelgrünen Blättern und dichten Blüten. Diese Sorte wird oft mit einer beruhigenden und entspannenden Wirkung in Verbindung gebracht und soll hilfreich sein, um Schmerzen und Stress entgegenzuwirken, während sie ein körperlastiges High erzeugt.
Sowohl die botanische Unterscheidung der Sorten als auch die unterschiedlichen Wirkungen sind jedoch umstritten und könnten größtenteils auf subjektiven Erfahrungen von Nutzern beruhen. 5
Unterschiede zwischen Medizinalcannabis und Freizeit-Cannabis
Der Hauptunterschied zwischen medizinischem und Freizeit-Cannabis liegt nicht in der Substanz selbst, sondern in der Qualität und im Wirkstoffgehalt: 6
Medizinisches Cannabis wird unter strengen gesetzlichen Vorschriften angebaut. Die Pflanzen wachsen in speziellen Einrichtungen, die hohe Hygienestandards einhalten. Außerdem müssen die Pflanzen in kontrollierten Umgebungen kultiviert werden, um sicherzustellen, dass sie gesund und rein sind.
Vor der Abgabe an Patienten wird das medizinische Cannabis sorgfältig getestet. Dabei wird geprüft, welche Wirkstoffe, insbesondere die Cannabinoide CBD und THC, in welchen Mengen enthalten sind. Dies ermöglicht eine genaue Dosierung und stellt sicher, dass die Patienten die gewünschte Wirkung erhalten, ohne unerwünschte Nebenwirkungen zu riskieren. In den Endprodukten dürfen schädliche Pestizide oder Chemikalien nicht enthalten sein bzw. nur innerhalb festgelegter Rückstandgrenzwerte auftreten. 7
Durch diese strengen Vorschriften sind die Wirkung und die Dosierung des medizinischen Cannabis klar definiert, was zu einer höheren Sicherheit bei der Anwendung führt und die Therapieergebnisse verbessert.
Cannabis als Medikament: Welche Formen gibt es?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, medizinisches Cannabis zu konsumieren, und jede Methode hat ihre eigenen Vorteile.
Generell verschreibt der Arzt zunächst eine niedrigere Dosierung, die dann schrittweise erhöht werden kann, um die Wirkung und mögliche Nebenwirkungen zu beobachten. Eine enge Kommunikation mit dem behandelnden Arzt ist dabei besonders wichtig.
Medizinische Cannabisblüten
Das Verdampfen von Cannabisblüten ist eine der beliebtesten Methoden, da die Wirkung schnell einsetzt und gut dosierbar ist. Durch das Erhitzen der Blüten im Verdampfer oder Vaporizer werden die inaktiven Formen von THC und CBD in ihre aktive Form umgewandelt, wodurch die gewünschten Effekte erzielt werden können.
Beim Verdampfen gelangen die Wirkstoffe besonders effektiv in den Körper – dies nennt man eine hohe Bioverfügbarkeit. Das bedeutet, dass ein größerer Anteil der Inhaltsstoffe tatsächlich im Blutkreislauf ankommt und somit wirksam wird. Die Wirkung tritt schnell ein, kann jedoch auch rasch wieder nachlassen. 8
Öle und Extrakte
Öle und Extrakte sind hoch konzentrierte Formen von Cannabis, die sich gut für Patienten eignen, die eine stärkere Wirkung benötigen. Sie können sublingual eingenommen werden, was bedeutet, dass sie unter die Zunge getropft werden, um schnell ins Blut aufgenommen zu werden. Dank ihrer hohen Konzentration ermöglichen sie eine genauere Steuerung der Dosierung, sodass Cannabispatienten die benötigte Menge an Wirkstoffen einfacher anpassen können. 9
Kapseln
Kapseln sind eine einfach zu dosierende Option. Sie benötigen zwar länger, um ihre Wirkung zu entfalten, halten dafür aber auch länger an. Dies kann besonders vorteilhaft für Patienten sein, die eine anhaltende Schmerzlinderung oder Symptomkontrolle brauchen.
Cannabis als Medizin: Mögliche Behandlungsgebiete
Medizinisches Cannabis wird bei verschiedenen Erkrankungen als unterstützende Therapie eingesetzt, um Symptome zu lindern. Während es für einige Anwendungsgebiete solide Hinweise auf Wirksamkeit gibt, sind in anderen Bereichen weitere Studien notwendig. Eine individuelle Beratung mit deinem Arzt hilft dir dabei, ob eine Behandlung mit Cannabis sinnvoll ist.
Medizinisches Cannabis bei Schmerzen
Chronische Schmerzen
Chronische Schmerzen dauern länger als drei Monate und beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich. Medizinisches Cannabis hat sich als vielversprechende Therapieoption für betroffene Patienten gezeigt. Viele berichten von einer spürbaren Linderung ihrer Beschwerden, was ihre Lebensqualität verbessert.
Darüber hinaus zeigen kleinere Studien, dass Cannabinoide, die in Cannabis enthalten sind, auch bei chronischen Schmerzen anderer Ursachen wie Tumorschmerzen, rheumatischen Erkrankungen oder Fibromyalgie positive Effekte haben können. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass medizinisches Cannabis eine wertvolle Ergänzung zu bestehenden Schmerztherapien darstellen kann. 3
Nervenschmerzen
Nervenschmerzen, auch als neuropathische Schmerzen bekannt, entstehen durch Schädigungen oder Funktionsstörungen des Nervensystems. Diese Art von Schmerzen kann sich als brennend, stechend oder kribbelnd äußern und tritt häufig bei Erkrankungen wie Multipler Sklerose oder Diabetes auf. Die Forschung hat gezeigt, dass medizinisches Cannabis bei neuropathischen Schmerzen besonders wirksam ist. 3
Übelkeit und Appetitlosigkeit mit medizinischem Cannabis behandeln
Übelkeit und Erbrechen
Medizinisches Cannabis wird häufig zur Linderung von Übelkeit und Erbrechen eingesetzt, insbesondere wenn diese durch Chemotherapie verursacht wird. In diesem Bereich hat sich Cannabis schon seit einigen Jahren als anerkannte und etablierte Option bewährt. Studien und praktische Erfahrungen zeigen, dass Cannabiswirkstoffe vielen Patienten helfen, Übelkeit zu lindern und das Wohlbefinden während der Therapie zu steigern. 3
Appetitlosigkeit
Appetitlosigkeit tritt häufig bei schweren Erkrankungen wie Krebs oder HIV/AIDS auf und kann zu erheblichem Gewichtsverlust führen. In solchen Fällen kann Cannabis helfen, den Appetit anzuregen. Studien haben positive Effekte von medizinischem Cannabis auf den Appetit bei HIV-Patienten gezeigt, und viele Patienten berichten, dass sie durch die Einnahme ihr Gewicht stabil halten konnten. Diese Anwendung hat sich auch bei Tumorerkrankungen und Alzheimer als hilfreich erwiesen. Obwohl die Wirksamkeit individuell variieren kann, berichten viele Patienten über eine spürbare Verbesserung ihres Appetits und ihrer Lebensqualität. 3
Schlafstörungen
Medizinisches Cannabis kann auch bei Schlafstörungen hilfreich sein. Studien geben Hinweise darauf, dass Cannabinoide wie THC und CBD die Schlafqualität unterstützen und Schlafstörungen lindern können. In der Forschung haben sich ähnliche Effekte bei verschiedenen Cannabinoid-Präparaten gezeigt, die oft eine beruhigende Wirkung auf den Schlaf haben. Viele Patienten berichten, dass sie mit Cannabispräparaten leichter ein- und durchschlafen, was zu einem erholsameren Schlaf beitragen kann. 10
Psychische und emotionale Belastungen
Angstzustände
Angstzustände sind für viele Betroffene sehr belastend. CBD, ein Bestandteil von Cannabis, könnte in einigen Fällen beruhigend wirken. Eine positive Wirkung wird zwar berichtet, jedoch variiert die Wirksamkeit individuell und ist nicht durch Studien belegt. 11
Depressionen
Depressionen sind eine ernsthafte psychische Erkrankung, die das alltägliche Leben stark beeinträchtigt. Bisher gab es nur wenige Studien zu diesem Thema. Eine neue Untersuchung zeigt jedoch, dass medizinisches Cannabis bei schwerer depressiver Störung helfen kann. Bei Patienten, die zuvor keine Erfolge mit Antidepressiva hatten, wurde der Schweregrad der Depression signifikant gesenkt. 12
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
PTBS kann nach extrem belastenden Erlebnissen auftreten und geht oft mit Symptomen wie Flashbacks und Schlafstörungen einher. Eine potenzielle Behandlungsmöglichkeit ist die Verwendung von Cannabisprodukten, die in einigen Untersuchungen und Fallberichten als hilfreich beschrieben werden. Es gibt Hinweise darauf, dass Cannabis möglicherweise zur Linderung von PTBS-Symptomen beitragen kann, insbesondere bei der Reduzierung von Albträumen und Angstzuständen. Allerdings ist die Evidenz hierfür noch begrenzt, und weitere wissenschaftliche Studien sind notwendig. 13
Neurologische und nervlich bedingte Erkrankungen
Spastiken und Muskelkrämpfe
Spastiken sind unkontrollierte Muskelverspannungen, die Schmerzen und Schwierigkeiten bei Bewegungen verursachen können. Sie kommen häufig bei Erkrankungen wie Multipler Sklerose und zerebraler Lähmung vor. Studien zeigen, dass fast die Hälfte der Patienten mit MS von einer spürbaren Verbesserung ihrer Beschwerden und einer besseren Schlafqualität durch die Verwendung eines Cannabisextrakts berichteten. 3
Epilepsie
Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende Anfälle gekennzeichnet ist. Bei vielen Menschen helfen die üblichen Medikamente nicht ausreichend, was in einer arzneimittelresistenten Epilepsie resultieren kann.
Studien haben gezeigt, dass Cannabinoide wie CBD als Ergänzung zu herkömmlichen Medikamenten die Anfallshäufigkeit verringern und die Lebensqualität verbessern können – besonders bei Kindern und Jugendlichen. Obwohl die Ergebnisse vielversprechend sind, sind weitere Forschungen nötig, um die Wirksamkeit und Sicherheit umfassend zu bestätigen. 14
Parkinson
Parkinson ist eine Krankheit, bei der bestimmte Bereiche im Gehirn geschädigt werden. Dies führt zu Symptomen wie Zittern, Muskelsteifheit, langsamen Bewegungen und Schwierigkeiten beim Gleichgewicht und der Koordination.
Obwohl noch nicht viele Studien zur Wirkung von medizinischem Cannabis bei Parkinson vorliegen, berichten viele Patienten von positiven Effekten. Bei einer Umfrage gaben zahlreiche Parkinson-Patienten an, eine spürbare Linderung ihrer Symptome wie Steifheit, Zittern und Depressionen durch die Verwendung von Cannabis erfahren zu haben. Diese Erfahrungen legen nahe, dass Cannabis eine nützliche Ergänzung zur Behandlung von Parkinson sein könnte. 15
Migräne
Migräne ist eine neurologische Erkrankung, die mit starken Kopfschmerzen, Übelkeit und Lichtempfindlichkeit einhergeht. Sie betrifft viele Menschen und kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.
Es gibt Hinweise darauf, dass Cannabinoide helfen können, Migräneanfälle zu lindern. Eine Studie zeigte, dass Cannabisprodukte die Häufigkeit und Schwere von Migräneattacken reduzieren können. Diese Behandlung könnte künftig eine Ergänzung zu anderen Therapien sein, besonders bei Patienten, bei denen herkömmliche Medikamente nicht ausreichen. Weitere Studien sind jedoch nötig, um ihre Wirksamkeit und Sicherheit zu bestätigen. 16
Funktionelle Störungen und weitere Anwendungen von medizinischem Cannabis
Sexuelle Funktionsstörungen
Sexuelle Funktionsstörungen wie Libidoverlust können vielfältige Ursachen haben, und auch hierbei könnte Cannabis helfen. Studien zeigen, dass der Gebrauch von Cannabis einen positiven Einfluss auf das wahrgenommene sexuelle Wohlbefinden und die Zufriedenheit haben kann – unabhängig vom Alter und Geschlecht der Betroffenen. Einige Betroffene berichten, dass Cannabis eine anregende Wirkung auf das sexuelle Verlangen hat, jedoch ist dieser Effekt wissenschaftlich kaum untersucht. 17
Gastrointestinale Beschwerden
Cannabis und insbesondere Cannabinoide wie CBD könnten auch bei verschiedenen Magen-Darm-Beschwerden unterstützend wirken. Erste Studien zeigen, dass CBD bei bestimmten Erkrankungen etwa bei Gastroparese (eine verzögerte Magenentleerung, die zu Übelkeit und Völlegefühl führen kann) helfen kann, die Symptome nach dem Essen zu lindern. Auch bei chronischen Darmerkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom oder IBD gibt es Hinweise, dass Cannabinoide Bauchschmerzen verringern könnten. 18
Andere funktionelle Beschwerden wie Blasenstörungen
Funktionelle Blasenstörungen, wie sie etwa bei der überaktiven Blase oder bei schmerzhaften Blasenbeschwerden (sogenannter interstitiellen Zystitis) auftreten, beeinträchtigen viele Betroffene erheblich im Alltag. Erste Studien und Fallberichte legen nahe, dass medizinisches Cannabis helfen könnte, die Blasenkontrolle zu verbessern und Schmerzen zu lindern. Eine Studie mit MS-Patienten zeigt, dass Cannabinoide möglicherweise eine wirksame und sichere Behandlungsoption darstellen könnte. 19
Mögliche Nebenwirkungen
Die Behandlung mit medizinischem Cannabis kann, wie bei anderen Medikamenten, bestimmte Nebenwirkungen mit sich bringen. Diese hängen oft von der Dosierung und dem individuellen Gesundheitszustand ab und können im Verlauf der Behandlung unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Bei Cannabis treten diese Nebenwirkungen zwar häufig auf, sind aber zumeist milde. 20
Häufige Nebenwirkungen
Die häufigsten Nebenwirkungen sind meist mild bis moderat und lassen oft nach einigen Wochen der Anwendung nach. Hier eine Übersicht: 2 21 20
• Müdigkeit und Schläfrigkeit: Besonders zu Beginn der Therapie oder bei höheren Dosen kann es zu verstärktem Müdigkeitsgefühl kommen.
• Schwindel und Benommenheit: Diese Effekte treten häufig bei Dosisanpassungen auf, legen sich aber meist mit der Zeit.
• Mundtrockenheit: Eine häufige Begleiterscheinung, die durch vermehrtes Trinken gemildert werden kann.
• Konzentrations-, Gedächtnis- und Orientierungsprobleme: Manche Patienten bemerken leichte Einbußen, die sich nach einiger Zeit wieder zurückbilden.
Seltenere Nebenwirkungen
In selteneren Fällen können Nebenwirkungen auftreten, die für bestimmte Patientengruppen eine besondere Rolle spielen und gegebenenfalls ärztlich abgeklärt werden sollten: 20 21
• Psychische Effekte (z. B. Unruhe, Angst): Bei THC-reichen Präparaten können gelegentlich Effekte wie Nervosität oder, seltener, Angstzustände auftreten. Besonders Patienten mit einer Neigung zu psychischen Erkrankungen sollten dies mit dem Arzt besprechen.
• Herz-Kreislauf-Beschwerden (z. B. erhöhter Herzschlag, Blutdruckschwankungen): Vor allem bei Erstkonsum oder Dosiserhöhungen kann es zu Herzklopfen oder Blutdruckveränderungen kommen. Diese Effekte sind besonders für ältere Menschen oder Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen wichtig und sollten vorab thematisiert werden.
• Cannabisinduzierte Psychosen: In sehr seltenen Fällen, insbesondere bei einer Veranlagung zu psychischen Erkrankungen, kann der Konsum von THC-reichem Cannabis psychotische Symptome wie Halluzinationen, Verwirrtheit oder Wahnvorstellungen auslösen. Diese Effekte sind oft dosisabhängig und können bei frühzeitiger Erkennung durch ärztliche Begleitung gemildert oder vermieden werden.
Wer kann medizinisches Cannabis auf Rezept verschrieben bekommen?
Seit der Teillegalisierung von Cannabis im Jahr 2024 hat sich die Möglichkeit, medizinisches Cannabis in Deutschland zu erhalten, deutlich erweitert.
Grundsätzlich können alle volljährigen Patienten medizinisches Cannabis auf Rezept erhalten, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Die Verschreibung erfolgt nach sorgfältiger Prüfung durch den behandelnden Arzt und in enger Absprache mit dem Patienten.
Obwohl medizinisches Cannabis häufig mit jüngeren Patienten assoziiert wird, gibt es zudem viele ältere Patienten, auch ab 65 Jahren, die von dieser Therapieform profitieren. Für diese Gruppe kann es eine wertvolle Unterstützung sein, insbesondere wenn herkömmliche Behandlungsmethoden nicht die gewünschten Ergebnisse liefern.
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Rechtliche Rahmenbedingungen für Cannabis-Patienten in Deutschland (Stand November 2024)
Änderungen mit der Teillegalisierung im April 2024
Mit der Teillegalisierung von Cannabis im April 2024 wurde der rechtliche Status von medizinischem Cannabis klarer definiert und vereinfacht. Patienten können nun einfacher und unkomplizierter Cannabis auf Rezept erhalten. Dies umfasst sowohl die Verschreibung als auch den Zugang zu einer breiteren Palette von Cannabisprodukten. Der Fokus liegt darauf, den Patienten eine bessere Lebensqualität zu ermöglichen und ihnen bei der Bewältigung ihrer Symptome zu helfen.
Gesetzliche Grundlagen für medizinisches Cannabis in Deutschland
Am 1. April 2024 trat das neue Cannabis-Gesetz (CanG) in Kraft, das den Umgang mit Cannabis in Deutschland neu regelt. Es besteht aus zwei Hauptteilen: 23
• Konsumcannabisgesetz (KCanG): Dieses Gesetz regelt den Freizeitgebrauch von Cannabis. Es legt unter anderem fest, dass Erwachsene bis zu 25 Gramm Cannabis besitzen dürfen und in bestimmten Grenzen auch für den Eigenbedarf anbauen können (maximal drei Pflanzen).
• Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG): Hier wird die medizinische Nutzung von Cannabis festgelegt. Dieses Gesetz regelt nicht nur die Verschreibung von Cannabis durch Ärzte, sondern auch den Anbau von medizinischem Cannabis. Darüber hinaus stellt es sicher, dass Patienten Zugang zu sicheren und qualitativ hochwertigen Produkten haben.
Durch die Verabschiedung dieses Gesetzes wird Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) entfernt. Dies erleichtert den Zugang zu medizinischem Cannabis erheblich und erlaubt den legalen Besitz und Gebrauch für medizinische Zwecke, sofern die neuen Vorschriften eingehalten werden. 23
Zusätzlich werden auch das BtMG und andere relevante Gesetze, wie die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung oder das Straßenverkehrsgesetz, angepasst, um die neuen Regelungen zu unterstützen.
Unterschiede zu Freizeitkonsumenten in Deutschland
Vor der Teillegalisierung 2024 war es nur Patienten erlaubt, Cannabis legal zu nutzen. Seit der Legalisierung für den Freizeitgebrauch hat sich das geändert, doch gibt es weiterhin wichtige Unterschiede zwischen dem medizinischen und freizeitlichen Konsum.
Besitz und erlaubte Mengen von Cannabis in Deutschland
Als Freizeitkonsument darfst du in Deutschland im öffentlichen Raum bis zu 25 Gramm Cannabis mitnehmen. Zu Hause oder an deinem Wohnort kannst du bis zu 50 Gramm Cannabis besitzen. Das gilt für getrocknete Blüten, blütennahe Blätter oder anderes Pflanzenmaterial. Außerdem ist es dir erlaubt, bis zu drei Cannabispflanzen zu Hause zu haben. 24
Als Cannabispatient darfst du die Menge an Cannabis besitzen, die dir dein Arzt verschreibt. Ein Rezept für medizinisches Cannabis kann mehr als 25 Gramm umfassen und deckt in der Regel den Bedarf für etwa 30 Tage ab. Da es seit der Gesetzesänderung im April 2024 keine gesetzlich festgelegte Höchstmenge mehr gibt, kann die verschriebene Menge je nach Therapiebedarf variieren – oft orientieren sich Ärzte jedoch weiterhin an bisherigen Werten von bis zu 100 Gramm pro Monat.
Zugang zu Cannabis
Als Freizeitkonsument kannst du in Deutschland Cannabis ausschließlich über sogenannte Cannabis Social Clubs beziehen. Diese sind streng regulierte, gemeinnützige Vereine, die ihren Mitgliedern einen sicheren Zugang zu Cannabis ermöglichen. Um Cannabis über einen solchen Club zu beziehen, musst du dich als Mitglied registrieren. Dabei gelten strikte Vorgaben: Mitglieder dürfen nur eine bestimmte Menge pro Monat erhalten und das Cannabis entweder in den Clubräumen oder privat konsumieren. Außerdem gibt es erst wenige Clubs, da die Zulassung und der Betrieb sehr streng geregelt sind.
Als Patient erhältst du Cannabis dagegen direkt in der Apotheke. Nachdem dein Arzt dir Cannabis auf Rezept verschrieben hat, kannst du es wie andere verschreibungspflichtige Medikamente in der Apotheke abholen. Dabei sind die Dosierung und Art der Cannabisprodukte individuell auf die medizinischen Bedürfnisse der Patienten abgestimmt und richten sich nach der ärztlichen Verordnung.
Autofahren und Teilnahme am Straßenverkehr
Für Freizeitkonsumenten gelten im Straßenverkehr strenge Vorschriften: In Deutschland liegt der Grenzwert für THC im Blut bei 3,5 ng/ml. Bereits geringe Mengen können bei einer Kontrolle zu Problemen führen. Wirst du mit Ausfallerscheinungen wie verlangsamter Reaktion erwischt, drohen Strafen, Punkte in Flensburg und der Verlust der Fahrerlaubnis.
Für Patienten, die medizinisches Cannabis nach ärztlichen Verschreibung einnehmen, gilt das sogenannte Medikamentenprivileg gemäß § 24a StVG.
Dies bedeutet, dass eine Grenzwertüberschreitung von THC über 3,5 ng/ml im Straßenverkehr nicht als Ordnungswidrigkeit gilt. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass dieses Privileg nicht greift, wenn auffälliges Fahrverhalten beobachtet wird oder es zu einem Unfall kommt. In solchen Fällen drohen empfindliche Strafen, und die rechtlichen Konsequenzen können erheblich sein. Patienten sollten daher stets sicherstellen, dass ihre Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigt ist.
Mehr Informationen zum Thema Cannabis und Autofahren sowie detaillierte Einblicke in die körperlichen Wirkungen und die aktuelle Rechtslage findest du in unserem Ratgeber.
Reisen mit Cannabis
Als Freizeitkonsument kannst du Cannabis in den meisten Ländern nicht mitnehmen, auch nicht innerhalb des Schengen-Raums. Die Mitnahme von Cannabis ist in vielen Ländern illegal, und du riskierst schwere Strafen, wenn du erwischt wirst. Es ist daher immer besser, dich vor einer Reise genau zu informieren, ob und wie Cannabis in deinem Zielland erlaubt ist.
Für medizinische Cannabispatienten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, medizinisches Cannabis auf Reisen mitzunehmen, ähnlich wie andere Medikamente – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Innerhalb des Schengen-Raums ist dies für eine Reisedauer von bis zu 30 Tagen erlaubt, sofern eine spezielle ärztliche Bescheinigung vorliegt. Diese Bescheinigung muss vor der Reise beglaubigt werden. In Ländern außerhalb des Schengen-Raums ist die Mitnahme jedoch oft schwieriger, da dort zum Teil strengere Regelungen gelten oder Cannabis ganz verboten ist. 25
Für genauere Informationen zum Reisen mit Cannabis kannst du dich auch von deinem behandelnden Arzt beraten lassen. Er kann dir die erforderlichen Dokumente ausstellen und dich zu den geltenden Bestimmungen informieren.
Ist medizinisches Cannabis die passende Therapie für dich? – Frag deinen Arzt!
Medizinisches Cannabis kann für dich eine wirkungsvolle, natürliche Alternative sein, vor allem wenn herkömmliche Therapien nicht den gewünschten Erfolg bringen. Ob bei chronischen Schmerzen, Schlafproblemen oder anderen Beschwerden – medizinisches Cannabis wird heute vielfältig eingesetzt und kann dir gezielt Linderung verschaffen.
Durch die Teillegalisierung 2024 ist der Zugang zu medizinischem Cannabis für Patienten deutlich einfacher geworden und die Therapie wird inzwischen von immer mehr Ärzten unterstützt.
Wenn du überlegst, ob medizinisches Cannabis auch für dich geeignet sein könnte, bietet dir eine ärztliche Beratung die Möglichkeit, alle offenen Fragen zu klären und die passende Therapie für deine Gesundheit zu finden.
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Diese Informationen dienen lediglich der allgemeinen Aufklärung und ersetzen keine rechtliche Beratung. Es handelt sich nicht um eine verbindliche juristische Einschätzung, und der Text wurde nicht von einem Anwalt erstellt. Bei konkreten rechtlichen Fragen oder Unsicherheiten solltest du dich an einen Rechtsanwalt oder eine andere juristische Fachkraft wenden.
2 Gelbe Liste Pharmindex. Cannabis – Wirkstoffdossier (abgerufen am 14. November 2024). https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Cannabis_53341/
3 Grotenhermen, F., & Müller-Vahl, K. (2012). Das therapeutische Potenzial von Cannabis und Cannabinoiden. Deutsches Ärzteblatt International, 109(29-30), 495-501. https://doi.org/10.3238/arztebl.2012.0495/
4 Grünhorn. Sativa vs. Indica: Warum die klassische Cannabis-Einteilung überholt ist. (abgerufen am 14. November 2024). https://www.gruenhorn.de/blog/sativa-vs-indica-warum-die-klassische-cannabis-einteilung-ueberholt-ist/
5 Piomelli, D., & Russo, E. B. (2016). The Cannabis sativa versus Cannabis indica debate: An interview with Ethan Russo, MD. Cannabis and Cannabinoid Research, 1(1), 44–46. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5576603/
6 Witzleben Apotheke. Gibt es Unterschiede zwischen medizinischem Cannabis und der Freizeitdroge? (abgerufen am 14. November 2024). https://witzleben-apotheke.de/gibt-es-unterschiede-zwischen-medizinischem-cannabis-und-der-freizeitdroge/
7 Eurofins. (o. J.). Pestizide in medizinischem Cannabis. (Abgerufen am 19. November 2024). https://www.eurofins.de/lebensmittel/food-news/food-testing-news/pestizide-in-medizinischem-cannabis/
8Kassenärztliche Bundesvereinigung. Cannabis verordnen. (abgerufen am 14. November 2024) https://www.kbv.de/html/cannabis-verordnen.php
9Grünhorn. Dosierempfehlung für eine Rezeptierung von Medizinalcannabis. (abgerufen am 14. November 2024) https://www.gruenhorn.de/blog/dosierempfehlung-fuer-eine-rezeptierung-von-medizinalcannabis
10 Whiting, P. F., Wolff, R. F., Deshpande, S., et al. (2015). Cannabinoids for medical use: A systematic review and meta-analysis. JAMA, 313(24), 2456-2473. https://doi.org/10.1001/jama.2015.6358
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16Schuster, N., Wallace, M., Buse, D., Marcotte, T., Lee, E., Liu, L., & Sexton, M. (2024). Vaporized cannabis versus placebo for acute migraine: A randomized controlled trial (S22.010). Neurology, 102(17_supplement_1). https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000204925
17 Moser, A., Ballard, S.M., Jensen, J. et al. The influence of cannabis on sexual functioning and satisfaction. J Cannabis Res 5, 2 (2023). https://doi.org/10.1186/s42238-022-00169-2
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24Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG), § 3 Erlaubter Besitz von Cannabis (abgerufen am 14. November 2024) https://www.gesetze-im-internet.de/kcang/__3.html
25Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Reisen mit medizinischem Cannabis. (Abgerufen am 14. November 2024). https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Medizinisches-Cannabis/Reisen-mit-medizinischem-Cannabis/_node.html